I can resist anything but temptation (Oscar Wilde)
Liebe Gemeinde
Als ich mir Gedanken über die Versuchung gemacht habe, kam ich zum Schluss, dass sie nicht alleine ist. Im Guten, wie im Bösen. Versuchung ist nicht alleine. Es gibt für mich die Versuchung zum Schlechten, und die Sehnsucht nach dem Guten. Es gibt den Widerstand gegen das Gute, und es gibt Hilfe zum Guten. (2x) Aber der Reihe nach.
Versuchung ist etwas Starkes. Die Versuchung ist stark, weil sie uns das Gefühl gibt, etwas ganz Gutes zu tun. Vielleicht eine Affäre, vielleicht eine grosse Menge Geld oder ein Kunstwerk. Eine Anerkennung, ein Diplom. – Etwas, das sich vielleicht schon oft gut angefühlt hat. Wir waren es gewöhnt und wollen es jetzt aufgeben. Müssen es aufgeben. – Das Rauchen, die Süssigkeiten, den Alkohol, die Tabletten, die Pornographie, das Einkaufen oder was auch immer. In Extremfällen das Heroin, das Kokain oder andere Stoffe. Die Versuchung vermischt mit Gewöhnung und vermischt mit Gutem ist stark. Das merkt jeder, der irgendwo einer Versuchung plötzlich NICHT nachgibt. Und nochmal NICHT nachgibt. Sie ist schwer, weil man das gute Gefühl vermisst. Es ist bitter, sich einzugestehen, dass das gute Gefühl auf lange Sicht schadet. Es ist bitter, eine vertraute Stütze nicht zu haben. Soll man sich auf lange Zeit nur noch mies fühlen? Hinzu kommt die Scham. Versuchung wird schier unerträglich, weil man sich schämt. Wie konnte ich das nur übertreiben? Wieso habe ich mich nach etwas gesehnt, das nicht gut ist? Wer bin ich denn? Was habe ich denn für Wünsche? Da setzen dann gute Therapien an. Ich finde es gute Therapien, die sagen: Die Wünsche hinter dem Wunsch nach dem geliebten Stoff sind gut. – Wer gegen Versuchung stärken will, muss den Selbstwert aufbauen.
Hinter fast allen Wünschen nach Suchtmitteln stehen die Wünsche nach Entspannung, Freude, Kontakt, Können, Stärke, Sicherheit, Annahme und Liebe.
Ja, so mühsam Versuchungen sind, wenn wir ihnen NICHT nachgeben, uns NICHT schämen, sondern nachdenken, dann können sie ihr Gutes haben und verschüttete Wünsche anzeigen.
Es ist traurig, dass wir anscheinend so gute Wünsche zurückschieben können. Das hat meist mit Unsicherheit, langsam eingeschliffenen Gewohnheiten oder mit Ungeduld zu tun. Das ist menschlich.
Also. Versuchung ist stark. Sie spielt mit guten Wünschen und verspricht auf den ersten Blick Gutes. Manchmal werden wir zu etwas versucht, was wirklich gut wäre. Denn vielleicht hat man nur in der eigenen Familie die Sache xy als böse gesehen.
– Deshalb mag ich den Satz von Oscar Wilde so: „Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung.“ Und auch den Satz: „Es gibt schreckliche Versuchungen und es kostet viel Kraft und Mut, ihnen nachzugeben.“
Auch Jesus ist versucht worden. – Auch seine Versuchungen haben bei guten Wünschen eingehakt. – Beim Wunsch nach Essen, beim Wunsch nach Schutz und beim Wunsch nach Einfluss. – Er hat es abgelehnt. Er hat gesagt: So nicht. – Versuchungen sind nicht stark, wenn sie etwas bieten, was uns nicht interessiert. Und niemand schadet sich selber offensichtlich und mit Vergnügen. Versuchungen tragen viel Gutes in sich. Wir müssen sagen. JA, aber nicht so. Mit gutem Selbstwert.
Auch Jesus hat gesagt: Ja, ich habe Hunger. Aber ich stille ihn nicht mit einem Wunder. Dann bin ich nicht mehr ganz Mensch. – Ja, ich vertraue auf Gottes Schutz, aber ich gönne mir kein Base-Jumping, sonst bin ich nicht mehr ganz Mensch. – Ja, ich will König der Menschen sein. Aber nicht von Teufels Gnaden. – Nicht so.
Es gibt für mich nicht nur die Versuchung. Es gibt auch den Widerstand. Es gibt nicht nur die Versuchung. Die Versuchung, einem Wunsch oder Drang nachzugeben. Nach einem Stoff oder einem Besitz oder einer Beziehung, die kurzfristig Vergnügen machen, aber langfristig schaden. Es gibt nicht nur die Versuchung.
Es gibt auch die Resistance. Den Widerstand. Es gibt Resistance. So nennt der Autor Steven Pressfield die Kraft, die uns abhält, Gutes zu schaffen oder zu trainieren. Er hat ein Büchlein geschrieben. Das heisst: Der Krieg für die Kunst. Auf Englisch ist das so ein schönes Wortspiel. Er hat den chinesischen Klassiker genommen: „The Art of War“. Und umgedreht „The War of Art“. Der Krieg um die Kunst.
Ich finde, er hat schön Gefühle beschrieben, die ich auch schon hatte. Die Gefühle, die losbrechen, bevor man trainiert oder ein Instrument übt, oder eine schwere Arbeit anpackt: Das „Oh, ne, lass mal. – Das klappt nicht. Das schaffst Du nie.“
Es gibt nicht nur Versuchung, es gibt auch Widerstand.
Ist unser Leben jetzt ein einziger Kampf gegen die Verlockungen? Die so oft aussehen wie das wahre, das pralle, das fröhliche Leben? Sollten wir ins Kloster, damit uns nur ja nicht die Welt in ihren Bann zieht? Alles, nur keine Freude? Wenn Dich Dein Auge verleitet, dann reiss es aus ?? – Ein Leben in reiner Disziplin? War es das?
Ich sehe, dass es Versuchungen gibt und Widerstand gegen das Gute in uns. – Gleichzeitig gibt es Hilfe. Starke Bilder und Eindrücke, die ein Ziel zeigen. Gärten, Häuser, Landschaften, Werkzeuge, Musik, Gerüche.
Es ist schwer zu beschreiben. Wer es erlebt hat, weiss es: Wenn es einen trifft. DAS ist meins, DAS will ich lernen. DORT will ich mal hin.
Es gibt Versuchungen und eine göttliche Sehnsucht. Es gibt Widerstand gegen das Gute und Hilfe zum Guten. – Es gibt eine Sehnsucht nach dem Guten und nach Gott. Wir sind von Natur aus vielleicht nicht besonders fleissig oder fest. Aber wir sind von Natur aus gut und hilfsbereit. Das haben Tests mit Babys gezeigt. – Oder wie es Nelson Mandela gesagt hat: Niemand wird hassend geboren. Niemand.
Und die Psychologie hat gemerkt. Wenn die Zustände in einem Leben gar nicht in Ordnung sind, dann fühlt ein Mensch Unruhe, ist verkrampft, hat unerklärliche Ängste, weicht Themen aus… Solange, bis er sich seinem Leben stellt. Wir sind nicht gefestigt und gefleissigt, aber von Natur aus hilfsbereit und gut.
Gott ruft. Und dieser Ruf ist in uns drin. – In uns drin kämpft ein Teil für das Gute.
In uns drin will ein Teil die Frage nach Gott beantwortet haben, will das Gute, Gesunde und Wahre. – Es äussert sich in Träumen, in Ängsten, in Problemen. Es kommt immer wieder, bis wir das alte Problem angehen. – Soldaten aller Nationen haben in Kriegen festgestellt: Das Morden macht krank und kaputt. – Auch wer meint, für eine gerechte Sache zu töten, dessen Unbewusstes und dessen Körper wird rebellieren.
Wer sich aber stellt, der bekommt Hilfe. Einer meiner Lieblingsautoren hat in Jahrzehnten als Therapeut gemerkt: Es ist auch eine Kraft im Gange, die in vielen Menschen Heilung bewirkt von Traumata, die schwere Spuren hinterlassen könnten. Menschen erleben genau im richtigen Moment Hilfe, die kein Zufall scheint.
Gott hat keinen perfekten Plan, aber ein SOS wird beantwortet. Und wenn wir das Gefühl haben, wir verschiessen die letzte Leuchtrakete aus unserem Rettungsboot… dann kommt Hilfe!
In uns drin ist ein Heimweh nach Gott. – Das äussert sich meiner Meinung nach in einem Heimweh nach Schönheit und nach Wachstum. – Aber wir müssen dem Heimweh nachgeben. – Gott hat keinen perfekten Plan für mein Leben, aber ich habe an entscheidenden Stellen Bücher, Plakate oder Aussagen gefunden, die mein Leben bereichert haben. Die eine Werbung für ein deutsches Segelschiff in einem SBB-Heftli. Das Auto mit der Werbung für meine erste Kung-Fu-Schule. Dutzende Bücher oder Artikel. Genau im richtigen Moment.
So bin ich am Schluss.
Es gibt Versuchungen. Und Versuchungen sind stark. Es sind nicht nur Reize. Sie packen unsere Sehnsucht nach dem Guten, sie verwirren, sie beschämen: Wer bin ich denn, dass ich das begehre? Wie stark Versuchungen sind, merkt man erst, wenn man einer davon eine Weile widerstanden hat. Und noch länger. Plötzlich merkt man, wie leicht man lange Zeit nachgegeben hat. Und welchen Versuchungen jemand ausgesetzt ist, der viel mehr Macht oder Geld oder Attraktivität hat als wir. Und wie unvorstellbar gross die Versuchung für Jesus gewesen sein muss, alle Macht und Reichtümer der Erde zu erhalten. – Nur ein starker Selbstwert sagt zur Versuchung: Ja, aber nicht so.
Es gibt Resistance. Die Versuchung, das Gute nicht zu tun. Sich nicht einzusetzen, sich nicht zu engagieren, die Diät bleiben zu lassen, ebenso das Instrument, oder eine bestimmte Therapie. Ich habe es erlebt. Es ist erstaunlich mühsam, regelmässig zu beten, zu trainieren, zu üben, Schönes zu erschaffen. Kein Wunder, hat das Christentum davon geredet, wir seien gefallen. Kein Wunder, galt die Trägheit als Todsünde. Es ist einfach, das Gute bleiben zu lassen. – Aber wie sehr geniessen wir jeden Gipfel, den wir bezwungen haben? Es ist es wirklich wert.
Und wie ein Blitz kann uns ein Bild treffen. Von einem Schiff, von einer Gegend, von einem Garten, von einem Haus, von einer Kunst. Oder wir hören Musik. Hören eine bestimmte Sprache. Und plötzlich wissen wir: Das will ich lernen. Das ist meins.
In uns drin kämpft das Gute immer um sein Recht.
Und es gibt ein Gebet, das wird erhört: „Jesus, Du Sohn Davids, erbarme Dich meiner.“
Es gibt ein Bekenntnis, das wird beantwortet: „Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch.“
Es gibt ein Versprechen, das wird erfüllt: „Die Gott lieben werden sein wie die Sonne.“ AMEN
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