Gott
Kaum schreibe ich über mein Gottesbild, muss ich schon wieder Abstriche machen. Es gibt kein Bild von Gott. Niemand hat Gott je gesehen, sagt eine Bibelstelle. Niemand hat Gott je gesehen. Und das ist gut so. Warum, das erkläre ich weiter unten. – Das war nicht immer so. Seit Anbeginn der Zeiten haben Menschen Steine aufgestellt, Steine, Holz, Gold und Edelsteine in Bilder ihrer Götter geformt. Die Götter waren sehr wohl sichtbar. Und zum Teil konnte man sie mitnehmen. Es war möglich, Gott mitzunehmen und ihn zu besitzen… Und dann? Dann haben wir die Geschichten der Bibel, die unsere Kultur geprägt haben. Die Geschichte eines Gottes, der wütet, straft, verlangt, fordert, belohnt… und hin und wieder tröstet. Ein Gott mit vielen Facetten. War dieser Gott nur die Erfindung eines kleinen Volkes in der Wüste? Nein, eines kleinen Volkes in einem hügeligen Bergland, das zwischen zwei grossen Kulturräumen lag?
Nehmen wir an, es war nur eine Erfindung… Dann war es doch speziell, dass dieser Gott zu Zeiten freundlicher schien als alle anderen Götter im alten Orient. Die Bibel hat immerhin von einem Gott erzählt, der redet, gestaltet und sich für das Alltagsleben interessiert. Auch wenn es für das kleine Volk nicht immer nur diesen einen Gott gab, wie die Archäologie herausgefunden hat und die Propheten der Bibel beklagen. Und das kleine Volk nie so wichtig war, wie es gerne gewesen wäre.
Vielleicht ziehen diese Verse deswegen heute noch Menschen an: Weil sie von der Sehnsucht reden, nicht einfach unter die Räder der Weltgeschichte zu kommen. Es gab soziale Kritik. Ein Regelwerk. Spuren eines Rechtsstaates. Nur ein Traum? Was heisst da „nur“? Einen Gott zu träumen, der etwas bietet, statt nur zu fordern? Einen Gott zu predigen, der manchmal nett ist, wenn alle anderen Götter nichts als absolute Gewaltherrscher sind. Von Regeln für alle zu sprechen, wenn klar ist, dass nicht jeder Mensch gleich viel Macht hat. Jedem Menschen ein Leben möglich zu machen. Mehr im Menschen zu sehen, als bei Pech einen Sklaven und einen unnützen Esser. Diese Wünsche berühren auch mich.
Historischen Masstäben genügen die Geschichten nicht. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Die Naturwissenschaft vergisst gelegentlich, dass wir Menschen nicht logisch sind, nicht naturwissenschaftlich, sondern emotional geprägt, fantasievoll, sprunghaft, verlogen, verschwenderisch. Passen wir auf, dass wir die biblischen Geschichten nicht verachten: Sie sehen den Menschen, wie er ist. Die Geschichten sind wahr, weil sie die Menschen sehen. Die Geschichte vom Sündenfall ist intelligent, weil sie eine Erklärung dafür sucht, wie wir sind. Mir scheint, die Bibel erzählt von der Suche, wie wir wirklich Menschen werden können.
Vielleicht hat Gott ja sehr, sehr viel Geduld, und er hat sich den Menschen angeglichen, damit er sie Stück für Stück mitnehmen konnte. Von einem Taschen-Götzen, hin zur Vorstellung des Schöpfers, der uns das Universum erforschen lässt? Musste die Geschichte denn so brutal sein? Wollte die Menschheit es nicht anders? – In diesem Sinne ist Gott fair. Er ist Mensch geworden und hat unter Menschen gelitten. Jeder Mensch kann nur einen Tod erleiden. Und Gott hat als Mensch den brutalsten Tod erlitten, den Menschen je ausgedacht hatten. Am Kreuz.
Und weil Jesus Christus gelebt hat, will ich an Gott glauben.
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