Das weisse Kirchlein

Im Artikel „die Kirche meiner Träume“ habe ich ein Idyll beschrieben. Das kleine weisse Kirchlein hat etwas sehr Unschuldiges. Das ganze Bild ist unschuldig, sicher, überblickbar, geordnet. – Aber die Welt ist nicht unschuldig, sicher, überblickbar und geordnet. Ich (und das fällt mir sauschwer zuzugeben) bin nicht unschuldig, überblickbar und geordnet. Das ist schade.

Dieses Bild und dieser Traum von so einem Kirchlein und so einer Gemeinde bedeuten mir viel. Sehr viel. Aber es ist ein Traum. Wahrscheinlich muss es ein Traum bleiben, denn auf dieser Erde wird nie alles idyllisch sein. Es ist zuviel von dieser Welt ausgeblendet. Schönes und Trauriges. Es ist ausgeblendet, wo Menschen leiden, und es ist ausgeblendet, wo Gott mit und für die Menschen wirkt. Es ist ausgeblendet, wie viel bunter und vielfältiger Die Menschen und alles Leben auf der Erde sind. Wie die „Church of England“ gelernt hat und das mit den fresh expressions of church leben lässt: Kirche ist dort, wo Menschen sich versammeln. Wo sie zuhören, lieben, helfen, Gemeinschaft bauen und Jüngerschaft lernen. Wir dürfen Gott nicht in ein Kirchlein sperren, egal wie süss es ist. Die Idylle ist zu einfach. Sie lässt weg, dass Gott keinem Land oder Volk gehört.

So eine Idylle könnte verhindern, dass irgendwo in einer Gruppe ein Mensch auf einem Plastikstuhl mit einer angeschlagenen Teetasse in der Hand völlig ehrlich über sein Leben redet, seine Schattenseiten sieht, sich sicher fühlt und Neues wagt. Die Idylle könnte verhindern, dass Jugendliche zu einer Kirche wie Sorted werden. Einfach, weil es nicht ihr Bild ist. In so einer Idylle würden Menschen ihre Schattenseiten verdrängen oder sich nicht willkommen fühlen. Diese Idylle kann einem Menschen am Abgrund das Gefühl geben, er werde sowieso nie, nie, nie dazu gehören.

Das kann nicht Gottes Ziel sein.

Das Idyll der kleinen weissen Kirche hat etwas sehr Unschuldiges. Wie ein Lamm. Wie das Lamm, das geopfert wird am Pessach-Fest. Auch Christus wird mit diesem unschuldigen Lamm verglichen. Wieso muss das Lamm sterben? Der Franziskaner Richard Rohr hat in seinem Buch „Ins Herz geschrieben“ darüber sinniert, dass wir zeitenweise genau diese unschuldigen Bilder, Ansprüche und Ideen sterben lassen müssen. Weil sie falsch sind.

Der wirklich unschuldige Jesus stirbt am Kreuz, damit unsere vermeintlich unschuldigen Bilder von uns selber sterben können. Es tut saumässig weh, wenn so ein Bild stirbt…

Was bleibt? Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute… , heisst es in einem alten Weihnachtslied. Gott wird Mensch den Menschen zugut

  • an einer Schule, wo Kinder biblische Geschichten hören, einfach als Kulturgut
  • wo Menschen miteinander beten
  • wo Menschen in einem Grüppchen sich so von Gott umgeben glauben, dass sie ihr Leben Schritt für Schritt besser leben können
  • wo Räume gestaltet werden, Gärten und Umgebung. Aus Freude und zur Freude
  • wo Menschen lernen, wie sie leben können, mit den Schatten dieser Welt: Traumata, Sucht, Gewalt, Liebeskummer, Erziehungsfragen, und Krankheiten
  • wo Menschen lernen, dass sie wertvoll sind, aber nicht das Zentrum der Welt
  • wo Menschen endlich ihre Lügen, faulen Ausreden und Gemeinheiten aufgeben
  • wo Menschen eines Tages sagen: „Doch, ich kann auch anders. Ich kann aus meiner Haut. Es ist das Schwerste und das Beste, was ich je erlebt habe.“

Und hoffentlich noch auf viele andere Arten.

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