Auferstehung … nur eine Geschichte

Predigt zu Johannes 20, 24-29 – Thomas, der Zweifler
24
Thomas aber, einer der Zwölf, der auch Didymus genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. 25Da sagten die anderen Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sagte zu ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und nicht meinen Finger in das Mal der Nägel und meine Hand in seine Seite legen kann, werde ich nicht glauben. 26Nach acht Tagen waren seine Jünger wieder drinnen, und Thomas war mit ihnen. Jesus kam, obwohl die Türen verschlossen waren, und er trat in ihre Mitte und sprach: Friede sei mit euch! 27Dann sagt er zu Thomas: Leg deinen Finger hierher und schau meine Hände an, und streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! 29Jesus sagt zu ihm: Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Selig, die nicht mehr sehen und glauben!

In der Bibel haben wir altes und neues Testament. Im neuen Testament stehen am Anfang die Evangelien, mit den Berichten über das Leben, Sterben und die Auferstehung Jesu. Die Berichte sind unterschiedlich und wollen doch das gleiche sagen: Jesus lebt. Nicht wie ein Geist, sondern auferweckt, verwandelt, neu erschaffen. Die Autoren ringen nach Worten und Vergleichen. Im Johannes-Evangelium sagt Jesus von sich selber: „Gott wird mich in mir verherrlichen.“ Der auferstandene Jesus ist immer noch Jesus, er der mit den Jüngern und Jüngerinnen durch Galiläa gezogen ist, sie haben mit ihm gegessen, haben ihn predigen gehört, die Heilungen gesehen, und wie er geweint hat, als er nach Jerusalem gekommen ist. Der auferstandene ist ihr alter Freund und Gott selber, der Urgrund allen Lebens. Im Lukas-Evangelium wird er beschrieben als jemand, der plötzlich da ist, und plötzlich wieder weg. Aber er lässt sich anfassen und isst etwas. Die ersten, die von der Auferstehung hören, sind Frauen. Frauen, die den Mut hatten, unter dem Kreuz zu stehen. Frauen, die den Plan hatten, Jesus die letzte Ehre zu erweisen durch eine anständige Balsamierung. Frauen, deren Stimmen damals vor Gericht nichts zählten. Wieso sollte man das erfinden?

So gibt es verschiedene Hinweise, ich betone „Hinweise“, dass die Berichte über Jesus wahr sind. Er lebt. Und jetzt? An dieser Stelle möchte ich auch die Zweifler ernst nehmen. Ist das passiert? Und wenn es nicht passiert ist? Ist es zu schön, um wahr zu sein? Aber eben, was wenn das nicht passiert ist? Was, wenn ich das nicht glauben kann? Bin ich dann noch ein Christ, oder muss ich gehen, oder sollten wir die Kirche konsequenterweise aufgeben? Wenn Gott so wunderbar neues Leben schafft, könnte er auf dieser Welt nicht ein wenig häufiger eingreifen? Kann es in dieser Welt, kann es für diese Welt Gott geben? Wenn Gott weiss, was Leiden heisst, wieso beendet er es nicht? Ist das ein Trost, dass auch Gott gestorben ist, wenn er nur drei Tage tot sein musste? Kann Diese Fragen sind auch meine Fragen. Diese Zweifel sind auch meine Zweifel. Es gibt weitere Fragen. Angenommen, Christus ist auferstanden und lebt, neu erschaffen, Gott und Mensch. Wieso haben Menschen das missbraucht, um heilige Kriege zu führen, Gläubige und Ungläubige zu trennen, den Eintritt in den Himmel zu verkaufen und auf ein besseres Jenseits zu vertrösten, um an den Zuständen hier nur ja nichts zu verbessern… Wieso? Wieso nur? Weil es so einfach ist? Weil es so viele Vorteile für ein paar wenige bietet? Eine direkte Antwort habe ich nicht. Nur das Zeugnis, was ich selber erlebe. Wenn ich glaube, dass Jesus auferstanden ist, dann hat ihn Gott selber auferweckt. Also ist er unschuldig gestorben, also war seine Botschaft im Sinne Gottes. Und was war seine Botschaft? Fürchtet Euch nicht. Gott vergibt, was Euch schief gegangen ist, probiert es weiter. Hört auf mit der Rache, hört auf mit Strafen, Grausamkeit und Machtkämpfen, seid barmherzig und klar. Seid ehrlich. Mit euch selber und anderen. Werdet ganz, ganz, ganz ehrlich. Das ist der Anfang für allen Wandel.

Es ist die Botschaft von einem König, der sein und leben wollte, wie viele Menschen: Die Geburt dubios, Flüchtlingskind, dann in einer verachteten Provinz mit seltsamem Dialekt aufgewachsen, Handwerker. Ein König, der zu Fuss unterwegs war, der die Zertrampelten aufgerichtet hat, die Verzweifelten getröstet, die Unberührbaren hat er berührt, die Ausgestossenen hat er zurück geholt, in den Verdorbenen hat er einen heiligen, reinen Kern gesehen. Und an Kindern hat er sich gefreut. Verzweifelten, trauernden Eltern hat er geholfen. Er hat die ermutigt, die sich vor ihm wertlos gefühlt haben, und es haben ihn die gehasst, die nur sich selber wichtig genommen haben. Die selbstverliebten Wichtigtuer hat Jesus verspottet. Schön bemalte Gräber voller Abfall und Verwesung, so hat er die genannt, die nur ihren Status geliebt haben, statt dem Leben.

Jetzt komme ich langsam zum Schluss. Wenn ich mich aufmache, dass ich so lebe, wie es diesen König der Verlorenen gefreut hätte, dann entsteht Sinn. Und immer wenn ich so lebe, wie es der gekreuzigte, leidende Gott vorgelebt hat, dann ist es die beste Geschichte, die mir bisher begegnet ist. Dieser Geschichte und diesem Jesus von Nazareth will ich nachfolgen. Nachfolgen. Nicht nur glauben. So gehe ich durch mein Leben, und der Himmel schweigt. Eines Tages sagt eine leise Stimme: Ich kenne Deine Zweifel und Deine Fragen. Und alles, was Dich bewegt. Geh nur weiter. Ich bin als Gott nicht verfügbar, nicht für Dein Ego. Und für niemanden. Kein Mensch hat ein grösseres Anrecht auf göttliche Kraft oder göttlichen Beistand als ein anderer Mensch. Aber alles, was in Dir sich nach Leben sehnt, nach Liebe, nach Wachstum, nach Schönheit und Freude, das werde ich nicht allein lassen. Mit meinem Frieden werde ich bei Dir sein. Gib nicht auf. Ich bin die Liebe und das Leben und die Wahrheit. Ich bin in allem, was lebt, und in allem, was da atmet. Ich bin die Auferstehung und das Leben. Ich bin der Anfang und das Ende.

Amen

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